Ab wann hat die Regierungsbeteiligung Sinn?

Glas_halbvollNach intensiven Diskussionen haben wir in der Sektion 8 einen Kriterienkatalog angelegt der partiell erfüllt werden muss, damit wir eine SPÖ-Regierungsbeteiligung als sinnvoll erachten. Dabei haben wir uns ausschließlich auf Forderungen aus dem Wahlprogramm der SPÖ „111 Projekte für Österreich“ konzentriert. Sollten von 16 Prioritäten die wir gesetzt haben im Regierungsübereinkommen mit der ÖVP acht erfüllt sein, werden wir die Weiterführung der großen Koalition begrüßen.

Die 16 Aspekte die wir aus den „111 Projekten für Österreich“ ausgewählt haben sind natürlich eine völlige subjektive Prioritätensetzung. Aus der Sicht der Sektion 8 sind es jene Projekte, die die Kernthemen für die kommende Legislaturperiode betreffen: Löhne, Steuern, Wohnen, Bildung, vernünftige Beschäftigungsverhältnisse (v.a. auch für Frauen), Pensionen, Pflege, Finanzmarktregulierung und Glücksspiel. Wir sind dabei in mehrerer Hinsicht pragmatisch:

  1. Wir haben nur Forderungen aus dem Wahlprogramm der SPÖ wörtlich entnommen und keine eigenen hinzugefügt.
  2. Wir tragen dem Umstand Rechnung, dass SPÖ und ÖVP fast gleich stark sind, weshalb wir nur verlangen, dass die Hälfte unserer Prioritäten umgesetzt wird.
  3. Wir haben innerhalb unserer 16 Prioritäten keine weitere Reihung vorgenommen. Das heißt selbst wenn die acht relativ „geringsten“ Maßnahmen sich im Regierungsprogramm wiederfinden, befürworten wir eine Regierungsbeteiligung.

Anders gesagt: Die Sektion 8 würde auch eine Regierungsbeteiligung ohne Mindestlohn, Vermögenssteuern oder Gesamtschule akzeptieren, wenn dafür einige weniger weitreichende Ziele erreicht werden (z.B. Mietrechtsreform, Pflegeoffensive, Verbot des Glücksspiels). Die Kriterien sollen zeigen, dass auch auf Basis von starken Überzeugungen Kompromisse in der Demokratie möglich sind, dass sich Prinzipienorientierung und Pragmatismus nicht ausschließen. Es ist kein Naturgesetz des politischen Betriebs, dass Leute in wichtige Entscheidungspositionen prinzipienfrei agieren müssen.

In einer Hinsicht müssen wir den Kriterienkatalog relativieren. Wir können zwar sagen welche Verbesserungen für uns notwendige Bedingungen für einen Regierungseintritt sind, wir können aber die möglichen Verschlechterungen nicht abschätzen. Es könnte beispielsweise zu weiteren Verschärfungen von Asylgesetzen kommen, zu Verschlechterungen im Unibereich (Zugangsbeschränkungen, Studiengebühren) oder zu einer Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. Wir behalten uns für unsere Entscheidungsfindung vor, eventuelle Verschlechterungen gegen erfreuliche Reformen abzuwägen.

Der Grund weshalb wir diesen Kriterienkatalog angefertigt haben ist, dass wir eine sachliche Entscheidungsgrundlage haben möchten, auf deren Basis wir das Koalitionsübereinkommen bewerten können. Sind zumindest acht unserer 16 Prioritäten berücksichtigt, zahlt sich eine Regierungsbeteiligung gerade noch aus. Ist das nicht der Fall, werden wir uns gegen die Regierungsbeteiligung der SPÖ aussprechen. Hier unsere 16 Prioritäten:

 

  • Mindestlohn (Projekt 19)

SPÖ unterstützt die Gewerkschaften bei der Einführung des kollektivvertraglichen Mindestlohns von 1.500 Euro brutto im Monat. Darüber hinaus sollen bei staatsnahen Unternehmen, Betrieben und Institutionen durch Einkommensobergrenzen für Vorstände und Geschäftsführung vertretbare Einkommensrelationen zu den ArbeitnehmerInnen geschaffen werden. Managerbezüge ab 500.000 Euro sollen nicht mehr als Betriebsausgabe abgesetzt werden können. Managerboni müssen an den nachhaltigen und langfristigen Unternehmenserfolg gekoppelt werden.“

  • Maßnahmen gegen prekäre Beschäftigung (Projekt 20)

Trotz eines ausgebauten Sozialstaates und eines umfassenden Arbeitsrechts gibt es immer noch Konstruktionen, um Menschen, die eine Beschäftigung brauchen, in prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu drängen. Beschäftigung in Scheinwerkverträgen oder unbezahlten Praktika gehört – vor allem auch bei BerufseinsteigerInnen – zur verbreiteten Realität. Diesen Praktiken muss Einhalt geboten werden.“

  • Vermögenssteuer (Projekt 26)

Um die Steuern auf Arbeitseinkommen weiter reduzieren zu können, wollen wir eine Millionärssteuer (Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer) für die Reichsten in Österreich einführen, denn auch sie sollen einen Beitrag für den Wohlfahrtsstaat leisten. Bei einem Freibetrag von einer Million Euro ist ungefähr ein Prozent der Menschen betroffen.“

  • Erbschafts- und Schenkungssteuer (Projekt 26)

Text siehe Vermögenssteuer

  • Aufkommensneutrale Reform der Familienförderung (Projekt 28)

Die steuerrechtlichen Regelungen zur Familienförderung sind zu kompliziert und nützen vor allem Menschen mit höheren Einkommen. Statt Freibeträgen und steuerlicher Absetzposten kommen eine generelle Erhöhung der Familienbeihilfe und mehr Kinderbetreuungsplätze allen Familien zugute.“

  • Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung (Projekt 29)

Wir bekämpfen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, denn es ist gerecht, wenn alle ihren steuerlichen Beitrag zur Finanzierung des Staatshaushaltes leisten, jedenfalls auch die Millionäre und die Superreichen. Diese dürfen sich nicht durch Konstruktionen über Staaten mit intransparenter Steuergesetzgebung ihrer Verantwortung für die Gesellschaft entziehen. Dafür muss die Kooperation und der Informationsaustausch zwischen den Staaten verbessert werden, Steuersümpfe sollen durch internationale Zusammenarbeit trockengelegt, rechtliche Konstruktionen, die der Verschleierung und Hinterziehung dienen, müssen verboten werden.“

  • Regulierung der Finanzmärkte (Projekt 30)

Die Finanztransaktionssteuer sorgt dafür, dass jene einen finanziellen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten, die sie verursacht haben. Wir wollen, dass die Finanztransaktionssteuer weiter ausgebaut wird und aktiv für die Beteiligung weiterer Länder werben. Auf europäischer Ebene wurde eine neue Aufsichtsarchitektur geschaffen, die gemeinsame Standards für den Finanzsektor setzt. Die gemeinsame europäische Bankenaufsicht wird gerade aufgebaut. Ein europäischer Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Banken ist für uns der nächste große Schritt, um in Zukunft zu verhindern, dass Bankenpleiten von der öffentlichen Hand aufgefangen werden müssen. Durch eine Verlängerung des Sonderbeitrags zur Bankenabgabe soll der österreichische Bankensektor und nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Kosten der Finanzkrise mitzahlen. Wir wollen mit einer europaweiten Bankenabgabe dafür sorgen, dass Banken in Zukunft nicht mehr mit Steuergeld gerettet werden müssen. Zudem wollen wir, dass nur mehr Finanzprodukte gehandelt werden dürfen, die eine Zulassung erhalten. Spekulation mit Nahrungsmitteln soll verboten werden. Darüber hinaus wollen wir, dass auch Ratingagenturen, die wesentlich an der Verschärfung der Finanzkrise beteiligt waren, stärker reguliert werden.“

  • Keine Privatisierung der Daseinsvorsorge (Projekt 38)

Dienste der Daseinsvorsorge zu privatisieren, führt zu Einbußen bei der Qualität, eingeschränktem Zugang, steigenden Preisen, zu Sozial- und Lohndumping und zum Verlust von Arbeitsplätzen. Wir wollen daher auf europäischer Ebene sicherstellen, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche es öffentlichen Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge ermöglichen, weiterhin ihre Dienstleistungen zu erbringen. In Österreich setzen wir uns dafür ein, dass das öffentliche Eigentum erhalten bleibt. Dabei erteilen wir dem generellen Wunsch nach weiteren Privatisierungen und Liberalisierungen eine klare Absage.“

  • Sicherung der Kaufkraft der öffentlichen Pensionen (Projekt 49)

Wir treten entschieden für eine weitere Stärkung der gesetzlichen Pensionsvorsorge ein. Sie ist die Grundlage der Altersversorgung in Österreich.Auch für die heute Jüngeren ist ein starkes öffentliches Alterssicherungssystem die kostengünstigste und sicherste Form der Alterssicherung. Betriebspensionen und private Zukunftsvorsorgen sind keine Säulen unseres Altersversorgungssystems, sondern lediglich Ergänzungen, die grundlegender Reformen bedürfen. Die Sicherung der Kaufkraft der Pensionen wollen wir gewährleisten und die Verteilung des Pensionsanpassungsvolumens mit den SeniorenvertreterInnen verhandeln.“

  • Zweckbindung der Wohnbauförderung & Wohnbauoffensive (Projekte 45 + 46)

Zuge einer Wohnbauoffensive sollen in der nächsten Legislaturperiode zusätzlich 25.000 bis 50.000 neue Wohnungen durch den geförderten Wohnbau errichtet werden. (…) Wir werden die Wohnbauförderung als wichtigstes Instrument zur Schaffung von ausreichendem und leistbarem Wohnraum ausreichend dotieren und gemeinsam mit den Rückflüssen aus Wohnbauförderungsdarlehen wieder ausschließlich und zweckgebunden für den Wohnbau einsetzen.“

  • Mietrechtsreform und Maklergebühr (Projekt 47)

Wir wollen zur Gleichstellung und finanziellen Entlastung der MieterInnen ein einheitliches Mietrechtsgesetz für den privaten Wohnungsmarkt, transparente Zu- und Abschläge beim Richtwertmietzins und eine Deckelung der gesetzlich erlaubten Zuschläge mit 25 Prozent des Richtwertes. Maklergebühren sollen künftig vom Vermieter als Auftraggeber bezahlt werden. Zur rechtlichen und finanziellen Sicherheit der MieterInnen sollen die Befristungsmöglichkeiten eingeschränkt und unbefristete Mietverträge wieder zur Norm werden.“

  • Pflegeoffensive (Projekt 52)

Die öffentliche Finanzierung der Pflegesicherung aus Steuermitteln ist in ausreichendem Maße sicherzustellen. Eine am Kapitalmarkt angesiedelte Risikofinanzierung, die für viele Versicherte nicht leistbar ist, wird von uns abgelehnt. Langfristig sind bundesweit einheitliche Pflegestandards zu etablieren. Rund 430.000 Personen beziehen derzeit in Österreich Pflegegeld – mehr als die Hälfte von ihnen wird zu Hause von Angehörigen gepflegt. Präventionsangebote wie z.B. „Bewegen statt Pflegen“ oder Demenz-Vorsorge sollen geschaffen bzw. ausgebaut werden. Aber nicht nur pflegebedürftige Menschen, sondern auch deren pflegende Angehörige benötigen Unterstützung. Die arbeitsrechtliche Situation für pflegende Angehörige muss weiter verbessert werden. Wir fordern daher einen Anspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit.“

  • Bundesweites Verbot des kleinen Glücksspiels (Projekt 64)

Für die Glücksspielkonzerne ist das „kleine Glücksspiel“ längst zum großen Geschäft geworden. Für Spielsüchtige bedeutet es jedoch oft Not, Krankheit, Armut, Elend, Kriminalität, häusliche Gewalt und Existenzbedrohung. Hohe Kosten für die öffentliche Hand sind die Folge. Wir fordern daher ein bundesweites Verbot des kleinen Glücksspiels in Österreich.“

  • Ganztagsschule (Projekt 76)

Eine gemeinsame ganztägige Schule erleichtert diese Situation und verringert den Stress für alle. Eine zeitgemäße Schule bietet abwechselnd Unterricht und Freizeit, mit motivierten und bestens ausgebildeten LehrerInnen und FreizeitpädagogInnen, die Kinder umfassend fördern und unterstützen, wo sie es brauchen.“

  • Gesamtschule (Projekt 77)

Unsere Kinder sollen alle die gleiche Chance im Leben bekommen, unabhängig vom Einkommen und der sozialen Situation ihrer Eltern. Das kann am besten in einer gemeinsamen, ganztägigen Schule der 10 bis 14-Jährigen gewährleistet werden.“

  • Rechtsanspruch auf Vollzeitstellen für Frauen bei freier Stelle (Projekt 89)

Ein Teil der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern rührt daher, dass Frauen in „typisch“ weiblichen Berufsfeldern weniger verdienen. Viele Frauen sind in Sozial- und Dienstleistungsberufen beschäftigt, welche noch immer schlechter entlohnt sind als beispielsweise technische Berufe. Hier braucht es eine Neubewertung dieser Arbeitsfelder. Wir brauchen mehr Vollzeitarbeitsplätze für Frauen und einen Rechtsanspruch auf Umstieg von Teilzeit- auf Vollzeitarbeit bei freiwerdender Stelle.“