Positionierung der Sektion 8 zur SPÖ Bundespartei

Auf der konstituierenden Versammlung der Sektion 8 im September 2007 haben die Aktivist/innen folgende Position zur SPÖ Bundespartei (unter Kanzler und Parteichef Gusenbauer) beschlossen:

 

Die Ausgangslage

Am 11. Jänner 2007 hat die Führung der SPÖ öffentlich eine Koalitionsvereinbarung bekannt
gegeben, die mit den demokratischen Gremien der Partei nicht akkordiert war. Erst nach der
medialen Bekanntgabe tagte ein Parteivorstand der unter dem Motto „Friß oder Stirb“ das
Verhandlungsergebnis zu akzeptieren hatte. Die Alternative – ein Austausch der Parteispitze
und möglicherweise Neuwahlen – stieß in den traditionell risikoscheuen
sozialdemokratischen Führungsgremien auf noch weniger Gegenliebe als die Akzeptanz einer
ungeliebten Regierungsbeteiligung. Überdies kann die Durchsetzung der rot-schwarzen
Koalition nicht als isolierter Fauxpas betrachtet werden, sondern als das Resultat einer seit
vielen Jahren schlecht entwickelten demokratischen Kultur innerhalb der Sozialdemokratie.

Drei Aspekte schockierten den Großteil der sozialdemokratischen Anhänger/innen:

  • Das ungenierte Brechen von zentralen Wahlversprechen der SPÖ, Stichworte Eurofighter
    und Studiengebühren.
  • Das aus sozialdemokratischer Sicht extrem dürftige Regierungsübereinkommen.
    Folgende Passagen seien noch einmal in Erinnerung gerufen:
    ƒ -Im Gesundheitswesens versprach die SPÖ eine stärkere Finanzierung durch
    Bessergestellte mittels einer Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage von 3750
    auf 5000 Euro und einer Berücksichtigung von Miet-, Zins- und Pachteinkünften in
    der Bemessungsgrundlage. Stattdessen wurde die Krankenversicherungsbeiträge um
    0,15% zu erhöht, eine Maßnahme die alle Bevölkerungsgruppen, auf Grund der
    Höchstbemesseungsgrundlage kleinere Einkommen am meisten, höhere Einkommen
    relativ am wenigsten, belastet.
    ƒ-Die Gruppenbesteuerung wird nicht abgeschafft, sie ermöglicht, dass Verluste die
    Konzerne im Ausland (z.B. für die Verlagerung von Produktionsstätten) machen in
    Österreich abgeschrieben werden können. Das bedeutet: Ein Unternehmen das im
    Ausland Verluste macht, kann diese von den in Österreich gemachten Gewinnen
    abziehen, um folglich nur den verbleibenden Gewinn besteuern zu müssen.
    ƒ-Im Bereich der Pensionen gibt es eine Arbeitsgruppe aber wenig
    Veränderungsvorschläge.
    ƒ Zum Thema Gleichstellung Homosexueller gibt es keine Erwähnung, obwohl
    Österreich in Westeuropa Schlusslicht ist was die Gleichstellung von Lesben und
    Schwulen betrifft.
  • Die Ressortverteilung als endgültiger Beweis dafür, dass die Regierungsbeteiligung und
    das Kanzleramt während der Verhandlungen – koste es was es wolle – absolute Priorität
    hatten. Das Sozialministerium muss ohne den Agenden Arbeitsmarkt und Gesundheit
    auskommen, die Ressorts Finanzen, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft,
    Gesundheit, Umwelt, Äußeres (inklusive Europa) und Inneres gingen allesamt an die
    ÖVP.

Die bisherige Bilanz

In den letzten acht Monaten ergab sich ein durchwachsenes Bild der Performance der
Bundesregierung. Die nächste große Enttäuschung war die Kapitulation der SPÖ-Führung
beim Thema Erbschaftssteuer – trotz Rückendeckung des Bundespräsidenten. Die Fakten
seien in Erinnerung gerufen: Laut dem BMSG-Sozialbericht 2002 besitzt in Österreich das
reichste Prozent der Bevölkerung rund 34% des gesamten Privatvermögens. In Punkto
Vermögenssteuern ist Österreich das Schlusslicht aller OECD-Staaten. Der Anteil der
Vermögenssteuern macht hierzulande etwas mehr als ein Prozent der gesamten Steuer- und
Abgabeneinnahmen des Staates aus. Im Schnitt der EU-15 sind es über fünf Prozent, in den
USA und Großbritannien sogar zwölf Prozent.

Auch beim Thema Eurofighter drängt sich der Verdacht auf, dass nicht alles versucht wurde
was möglich gewesen wäre. Die Stückzahl konnte von 18 auf 15 reduzieren, neue Flieger
durch gebrauchte ersetzen und undurchsichtige Einsparungen bei den Betriebskosten
erreichen, Faktum ist dass immer noch Unsummen von rund 1,6 Mrd. Euro für Kriegsgerät
ausgegeben werden. Die Darstellung, dass ein Abwarten des Endergebnisses des
Untersuchungsausschusses den Druck auf Eurofighter erhöht und die Verhandlungsposition
der Republik verbessert hätte klingt plausibel.

Die Ersatzregelung für Studiengebühren ist endgültig zur Farce verkommen. Während rund
um die Regierungsbildung noch von einer Befreiung von den Gebühren bei gemeinnütziger
Arbeit im Ausmaß von 60 Stunden pro Semester die Rede war, wurde die Befreiung vorerst
auf Tutoring (in höheren Schulen über die Uni erzählen) und Mentoring (Nachhilfe) reduziert.
Anfang September gab das Wissenschaftsministerium bekannt dass die Möglichkeit auf
Studiengebührenbefreiung auf das Mentoring reduziert werde. Nachhilfe für 6 Euro pro
Stunde wird sich der Großteil der Studierenden nicht leisten können und sich besser bezahlte
Jobs suchen.

Der Fairness halber muss erwähnt werden dass einige Initiativen der Bundesregierung in ihrer
konkreten politischen Akzentsetzung durchaus erfreulich sind. Folgende positive
Entwicklungen sollen nicht unerwähnt bleiben:

  • Die Einführung von Gesamtschul-Modellregionen wird offensiv vertreten, die
    Gesamtschule kann zweifellos als ein Herzstück sozialdemokratischer Politik bezeichnet
    werden.
  • ƒDie Ideen und Initiativen im Sozialbereich (Vermögensbesteuerung, üppige
    Herbstlohnrunde etc.) gehen jedoch zumindest in die richtige Richtung. Was von den
    Vorhaben einmal Realität geworden sein wird muss zu einem späteren Zeitpunkt kritisch
    beurteilt werden.
  • Im Justizbereich wurden mehrfach erfreuliche Akzente, etwa bei der Modernisierung des
    Familienrechts (Stichtwort Patchworkfamilien), beim Versuch der Gleichstellung
    Homosexueller und bei der Liberalisierung des Strafrechts (elektronisch überwachter
    Hausarrest statt kurzer Freiheitsstrafen, gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafen
    etc.)

Wie positionieren?

Politische Entscheidungen schaffen Fakten. Das sozialwissenschaftliche Konzept der
Pfadabhängigkeit geht davon aus, dass es oft schwierig ist aus einer bereits eingeschlagenen
Fahrbahn ohne gewaltige Schäden auszubrechen. Genau dies ist derzeit der Fall, ein kleiner
Kreis um Alfred Gusenbauer hat die Partei und ihre demokratischen Strukturen überrumpelt
und mit der Regierungsbildung am 11. Jänner 2007 Fakten geschaffen.

Natürlich hatte die Parteispitze völlig recht mit ihrer Argumentation, dass ein mutwilliger
Ausbruch der SPÖ aus der Regierung zu einer katastrophalen Abstrafung durch das Wahlvolk
führen würde. Die Logik dieser Kausalität hat die SPÖ-Führung jedoch mit ihrer
leichtfertigen Regierungsbeteiligung selbst verursacht, mehr noch, sie hat diese Logik
erwünscht. Denn erst mit der Regierungsbeteiligung war es möglich die Partei unter
Androhung von schmerzlichen Neuwahlen zu erpressen und bei der Stange zu halten.
Diese Logik kann mit der SPÖ-Führung nicht durchbrochen werden. Würde die SPÖ derzeit
Neuwahlen riskieren, stünde dieser Schritt in krassem Widerspruch zur selbst initiierten
Regierungsbildung, ein miserables Wahlergebnis wäre der Sozialdemokratie als Reaktion auf
diese Irrationalität sicher. Nur ein glaubwürdiger programmatischer, kultureller und
personeller Wechsel innerhalb der SPÖ könnte einen solchen Bruch glaubwürdig machen und
das Risiko eines neuerlichen Wahlgangs rechtfertigen. Da ein solcher Wechsel jedoch nicht in
Sicht ist, macht auch die Forderung nach einem Austritt aus der Bundesregierung derzeit
keinen Sinn.

Was bleibt in einer solchen Situation zu tun? Zweierlei: Erstens der Versuch, die Partei
profund und optimalerweise empirisch untermauert zu reideologisieren. Zweitens: Alle aus
unserer Sicht positiven politischen Kräfte und Initiativen in der Bundesregierung zu
unterstützen und alle gegenteilig gepolten Maßnahmen zu bekämpfen. Mit der nötigen
Seriosität, jedoch auch mit der nötigen Deutlichkeit. Beide Ziele wird die Sektion 8 tatkräftig
verfolgen.